Das Flinke Finger-Programm
Interview mit Dr. Markus von Wardenburg
Praktische Erfahrungen von den Basics bis hin zu echten Fällen: Im Rahmen des „Flinke Finger“-Programms üben Assistenzärzte und Assistenzärztinnen interventionelle Eingriffe realitätsnah an Simulatoren.
Dr. Markus von Wardenburg, Assistenzarzt im vierten Weiterbildungsjahr am Zentrum für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin der Ludgerus-Kliniken, Standort Clemenshospital in Münster unter der Leitung von Prof. Dr. med. Johannes Weßling, berichtet von seinen Erfahrungen aus dem Kurs.
Dr. von Wardenburg, wann und wie haben Sie Ihr Interesse an der interventionellen Radiologie entdeckt?
Meine ersten angiographischen Erfahrungen durfte ich schon während des Studiums sammeln: erst im Rahmen einer Famulatur in der Radiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, später während meines PJ-Tertials in der Radiologie des Klinikums Reinbek.
Da ich in diesen Abteilungen bereits mit großer Freude die interventionelle Radiologie für mich entdeckte und auch schon ein wenig Erfahrung sammeln konnte, unterstützte mich Professor Weßling seit Beginn meiner Assistenzarzttätigkeit mit Rat und Tat.
Ich bekam die Möglichkeit, von Anfang an beispielsweise die interdisziplinären Gefäßkonferenzen zu besuchen, an einigen Interventionen teilzunehmen und damit sowohl praktische als auch theoretische Erfahrungen sammeln zu können.
Besonders reizvoll an der interventionellen Radiologie ist für mich, nicht nur diagnostisch tätig zu sein, sondern klinische Radiologie zu erleben und direkt am Patienten zu wirken.
Was ist für Sie das Besondere am „Flinke Finger“-Kurs?
Das Besondere am „Flinke-Finger“-Kurs ist für mich, dass ich auf den Kongressen nicht nur das notwendige Hintergrundwissen aufbauen kann, sondern auch die Möglichkeit habe, mal selbst Hand anzulegen und praktische Erfahrungen an Simulatoren zu sammeln.
Zudem ist es sehr spannend, mit interventionell interessierten Assistenzärzten und -ärztinnen aus anderen Kliniken ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, wie die Weiterbildung an anderen Standorten aussieht.
Welche Simulatoren kamen zum Einsatz und welche finden Sie am lehrreichsten?
Während des „Flinke-Finger“-Kurses kamen zwei Simulatoren zum Einsatz: ein physisches Gefäßmodell aus durchsichtigen Schläuchen und ein computergestützter Simulator der Firma Mentice. Beide hatten ihre Vor- und Nachteile. Angefangen haben wir mit dem physischen Modell, was für uns sehr sinnvoll war, da an diesem die absoluten Basics geübt werden konnte, z.B. wie man eine Schleuse in Seldinger-Technik legt.
Außerdem ist es sehr hilfreich, durch das Gefäßmodell hindurch direkt dreidimensional sehen und verstehen zu können, wie sich verschiedene Katheter, Ballons und Stents im Gefäßsystem verhalten, ohne es indirekt über einen Monitor unter Durchleuchtung sehen zu müssen. Nachdem die ersten Basics verstanden waren, wechselten wir auf den computergestützten Simulator. Dieser verdeutlichte wirklich sehr eindrücklich, wie es dann im wahren Leben abläuft und was alles noch nebenbei beachtet werden muss, z.B. den Tisch bewegen, den richtigen Strahlengang finden, welche weiteren Einstellungen es gibt, usw.
Außerdem wurde uns klar, welche Themen darüber hinaus zu beachten sind, die nicht unbedingt direkt bemerkt werden, wie z.B. das richtige Einblenden und wie sich das auf die Streustrahlung auswirkt. In den Simulator lassen sich schnell vorgefertigte Fälle einladen, anhand derer einzelne Situationen geübt werden konnten. So bekamen wir beispielsweise die Gelegenheit, jeweils eine simulierte Nierenarterien- und eine Iliakalarterienstenose mittels Stent zu versorgen. Insgesamt muss ich sagen, dass ich diesen Simulator am lehrreichsten fand.
War die Zeit zum Üben an den Simulatoren ausreichend?
Für die ersten Einblicke war die Zeit zu dritt an einem Simulator ausreichend, nachdem man die Funktionsweise des Simulators verstanden hat. Letztlich verging die eigene Zeit aber so schnell, dass zumindest ich gerne noch weitergemacht hätte. Mit Blick auf die anderen Fälle, die noch im System hinterlegt waren, juckte es einen in den Fingern, direkt den nächsten Fall zu öffnen und zu schauen, was einen dort erwartet.
Wie haben Sie Ihren Chef davon überzeugen können, an diesem Kurs teilzunehmen?
Die interventionelle Radiologie ist ein wesentlicher Bestandteil des Fachgebietes der Radiologie, insbesondere, wenn man sie so wie bei uns als klinische Radiologie versteht, die auf Augenhöhe mit den Kolleginnen und Kollegen aus den zuweisenden Abteilungen nicht nur diagnostisch, sondern auch therapeutisch tätig ist.
Dennoch gibt es auch radiologische Kollegen und Kolleginnen, die ihre Interessen in ganz anderen Bereichen der Radiologie haben. Daher finde ich es wichtig, als interventionell interessierter Assistenzarzt oder interessierte Assistenzärztin schon frühzeitig viele Erfahrungen zu sammeln und sukzessive die eigene Expertise im Rahmen einer gezielten, auf die eigenen Interessen fokussierten Weiterbildung aufzubauen.
Dies sieht Professor Weßling genauso, daher bedurfte es keinerlei Überzeugungsarbeit, zuerst einem meiner Kollegen im Vorjahr und nun auch mir die Teilnahme am „Flinke-Finger“-Programm zu ermöglichen.
Gibt es einen Oberarzt oder eine Oberärztin, der oder die Sie als Mentor beim Erlernen von Interventionen unterstützt?
In unserem Zentrum sind wir in der komfortablen Situation, als Assistenzärzte Fälle sowohl aus dem allgemein-, als auch aus dem neuroradiologischen Gebiet gleichsam ohne künstliche Barrieren zu betreuen. Seitens der Allgemeinradiologie werden die Interventionen vor allem durch unseren leitenden Oberarzt, Dr. Daniel Winkelmann und durch unseren Chefarzt Professor Weßling durchgeführt. Seitens der Neuroradiologie stehen bei uns alle neuroradiologischen Chef- bzw. Oberärzte in der Angiographie.
Dies bedeutet, dass es nicht den einen Oberarzt oder die eine Oberärztin als Ansprechpartner gibt. Vielmehr versteht sich meiner Erfahrung nach jede dieser Personen als Mentor, der einen nicht als Assistenz zum Drahthalten und Spritzen aufziehen in der Angio sieht, sondern Interesse und Freude hat, die eigenen Erfahrungen weiterzugeben und geduldig mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Das gilt sowohl während der Interventionen, als auch in manchen Besprechungen im Vorfeld oder im Anschluss.
Institutsleiter/innen und Weiterbildungsbefugte in der Radiologie können als Patin oder Pate für interessierte Kandidaten und Kandidatinnen aktiv werden. Was halten Sie von diesem Konzept?
Ich halte das Konzept für sehr sinnvoll. Insbesondere in der interventionellen Radiologie ist die praktische Erfahrung einfach unabdingbar. Man kann sich noch so viel theoretisches Wissen aneignen: Das ist zwar sehr wichtig, aber letztlich benötigt man auch das gewisse Fingerspitzengefühl, das man nur durch die praktische Anwendung erlernt.
Und hierfür ist eine direkte und erfahrene Ansprechperson sehr hilfreich, von dem / der man weiß, dass er / sie Interesse daran hat, einem die interventionelle Radiologie näher zu bringen und einem mit Tipps, Tricks und Wissen zur Seite steht.
Wie ist Ihr Gesamteindruck von den „Flinken Fingern“ und was könnte man an dem Kurs verbessern?
Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der ersten Hälfte des „Flinke-Finger“-Kurses und freue mich sehr, die Chance bekommen zu haben, daran teilnehmen zu können. Auf die zweite Hälfte im Mai 2020 bin ich schon sehr neugierig und hoffe, dass sie genauso spannend wird.
Neben der Möglichkeit, Kongresse zu besuchen und sogar an speziell auf uns zugeschnittenen Simulatorkursen teilnehmen zu können, war es insbesondere auch sehr interessant, interventionell interessierte und tätige Kollegen und Kolleginnen aus anderen Krankenhäusern kennenzulernen und mit ihnen über die Weiterbildung in ihren Häusern sprechen zu können.
Als Verbesserungsvorschlag würde ich mir wie bereits beschrieben mehr Zeit wünschen, denn die eigene Zeit an den Simulatoren verging zu schnell. Letztlich bleibt aber zu sagen, dass unsere Tutoren während des Kurses mit viel Witz und Freude bei der Sache waren und uns einen wirklich tollen Einblick in die Welt der interventionellen Radiologie verschafft haben. Vielen Dank dafür!
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Prof. Dr. Peter Minko, DeGIR-Team Öffentlichkeitsarbeit.