Erkrankung PAVK

Wie gut ist die Qualität der stationären Patientenversorgung?

Ein Interview mit Prof. Thomas Kröncke über die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) – die mittlerweile zu den häufigsten Erkrankungen unserer Gesellschaft gehört.

von Melek Mirzanli · 5. Oktober 2022

Vor Kurzem ist die Studie „Stationäre Versorgung von Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit / Einfluss von Zertifizierungsstatus und Krankenhausgröße auf die Versorgungsqualität“ im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht worden. Erstellt hat sie ein Team um Prof. Thomas Kröncke, Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Augsburg. Wir haben mit zwei der Autoren, PD Dr. Christian Scheurig-Münkler und Dr. Josua Decker, über die Studienergebnisse und die Schlüsse, die man aus ihnen ziehen sollte, gesprochen.

Das Deutsche Ärzteblatt hat Mitte September Ihre Publikation zur stationären Versorgung von Menschen, die an PAVK erkrankt sind, veröffentlicht. Was hat Sie und Ihre Mitautoren Prof. Dr. Thomas Kröncke und PD Dr. Florian Schwarz an diesem Thema interessiert?

Dr. Decker
: Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) zählt mittlerweile zu den häufigsten Erkrankungen unserer Gesellschaft und prägt unseren klinischen Alltag in Diagnostik und Therapie. Seit einiger Zeit beschäftigen wir uns darüber hinaus auch mit der Analyse der stationären Versorgung von Patientinnen und Patienten mit PAVK in ganz Deutschland und konnten hier den sich fortsetzenden Trend der letzten Dekade weg von der chirurgischen hin zur interventionellen Behandlung sehr detailliert beschreiben. Ein Aspekt, der uns von Anfang an interessierte, war die Frage nach der Auswirkung der Versorgungsstufe eines Klinikums und der Zertifizierung als Gefäßzentrum auf die Patientenselektion und die Versorgungsqualität. Für andere Krankheiten, wie Schlaganfälle oder Myokardinfarkte, konnte beispielsweise für letzteres ein positiver Zusammenhang nachgewiesen werden. Als zertifiziertes Gefäßzentrum übernehmen wir selbst überregional Versorgungsverantwortung und unterstützen dieses Qualitätssicherungsinstrument der Fachgesellschaften im Sinne einer hochwertigen Patientenversorgung. Der spezifische Nutzen und ein messbarer Effekt waren uns jedoch bislang verborgen.

Wie sind Sie methodisch vorgegangen? Welche Daten haben Sie genutzt?

PD Dr. Scheurig-Münkler:
Uns standen auf Antrag die Daten der DRG-Statistik des statistischen Bundesamtes zur Verfügung. Hier sind die Daten aller Hospitalisierungen in Deutschland inklusive aller Diagnosen und Prozeduren, aber auch Informationen zu Alter, Geschlecht, Liegedauer und vieles mehr auswertbar. Die Daten zu Bettenanzahl und Zertifizierungsstatus konnten wir zum einen über die strukturierten Qualitätsberichte beziehungsweise die Internettauftritte der Fachgesellschaften abfragen. Diese wurden dann über das in der DRG-Statistik enthaltene Institutskennzeichen miteinander verknüpft. Neben der rein deskriptiven Auswertung erfolgte auch eine multivariate Analyse, um sich überschneidende Effekte auszugleichen. Die entscheidenden primären Endpunkte der stationären Versorgung waren dabei die Krankenhaussterblichkeit sowie die Rate an Major- und Minoramputationen. Betrachtet wurde der Zeitraum 2016-2018.

Was sind die Ergebnisse Ihrer Studie?

Dr. Decker:
Allein mit dieser stark fokussierten Auswertung konnten viele spannende Erkenntnisse gewonnen werden. Zum Beispiel versorgten die noch immer vergleichsweise wenigen von den Fachgesellschaften der Radiologie, Gefäßchirurgie und/oder Angiologie als Gefäßzentrum zertifizierten Kliniken (14,3 Prozent; darunter 57,9 Prozent unter Einbezug der DeGIR) eine überproportional große Anzahl an PAVK-Patientinnen und -patienten (29,1 Prozent) und wurden damit der selbst gesteckten Verantwortung gerecht. Interessant ist auch die Tatsache, dass in Kliniken mit zertifizierten Zentren verhältnismäßig mehr Patientinnen und Patienten mit dem niedrig-symptomatischen Stadium Fontaine IIb behandelt wurden. Dies irritiert zunächst, erklärt sich aber vermutlich durch die positive Außenwirkung und die gut etablierten Strukturen, welche auch mobilere Patientinnen und Patienten anzogen. Bezüglich der stationären Versorgungsqualität stach, auch nach Bereinigung aller berücksichtigter Einflussvariablen, die höhere Rate an Minor- und niedrigere Rate an Majoramputationen in zertifizierten Zentren hervor. Eine plausible Erklärung wäre das verstärkte Streben nach einem Funktionserhalt der Extremitäten. Auf die Krankenhaussterblichkeit hatte der Zertifizierungsstatus keinen Einfluss.

Welche Schlüsse sollte man aus Ihren Studienergebnissen ziehen, um die Versorgung von Patientinnen und Patienten, die an PAVK leiden, zu verbessern?

PD Dr. Scheurig-Münkler:
Die alleinige Betrachtung der stationären Endpunkte griffe für eine abschließende Beurteilung der Versorgungsqualität ganz sicher zu kurz. Die ambulante Anbindung und Nachbetreuung der Patientinnen und Patienten ist ein weiterer, auf diesem Wege nicht messbarer Faktor, der aber in der Regel Teil der Bewertung im Rahmen einer Zertifizierung ist. Dennoch waren mit der Zertifizierung allein im stationären Aufenthalt einige positive Effekte verbunden. Sei es die niedrigere Rate an Majoramputationen als klarer Benefit für die Betroffenen, oder auch die ökonomisch günstige Anbindung von mehr Patientinnen und Patienten mit reiner Claudicatio intermittens. Ein ganz wichtiger Punkt an dieser Stelle ist zudem, dass die klare Zunahme der interventionellen Behandlungen und der mittelfristig abzusehende Weg in eine vermehrt ambulante Versorgung für uns Radiologinnen und Radiologen die seit langem beste Chance ist, mehr Verantwortung und eine größere und vor allem sichtbarere Rolle in der Therapie der PAVK einzunehmen. Dieses Kapitel mit Unterstützung der DeGIR anzugehen, ist naheliegend und sinnvoll. 

Die Studie „Stationäre Versorgung von Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit / Einfluss von Zertifizierungsstatus und Krankenhausgröße auf die Versorgungsqualität“ finden Sie hier.